Positives Denken kann leicht einem Bärendienst gleichen: gut gemeint, aber tatsächlich kontraproduktiv. Dabei sind achtsame Perspektivwechsel sehr wertvoll und erleichtern Win-Win-Lösungen. Am Beispiel vom Optimist:innen und Pessimist:innen, erläutere ich, wie Du von gut gemeint zu gut gemacht kommst.
Stell‘ Dir folgende Situation vor: Erschöpft nach einem langen Arbeitstag kommst Du mit der U-Bahn am Zielbahnhof an. Kaum ausgestiegen siehst Du: Die Rolltreppe ist kaputt. Als Optimist:in denkst Du: „Wenn ich die Treppe nehme, tue ich noch etwas für meine Fitness.“ Als Pessimist:in denkst Du: „Heute geht auch alles schief!“ Du kommst in beiden Fällen oben an – als Optimist:in erfrischt, als Pessimist:in noch erschöpfter. Und die Empfehlung für Pessimist:innen lautet: Denke lieber positiv!
Diese so vereinfachte Version des positiven Denkens klingt logisch, trügt aber. Wenn ich meine negativen Gedanken und Empfindungen abwerte und sie mir zu Gunsten positiver Gedanken verbiete, markiere ich einen Teil von mir als falsch.
Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich versuche diese Seite bestmöglich verschwinden zu lassen. Damit mache mich anfällig für Trigger, die mich daran erinnern und mein Versteckspiel gefährden. Oder ich lehne die Methode des positiven Denkens ab, weil ich mich nicht verstellen will, um zu funktionieren.
Wandeln wir das Beispiel in „gut gemacht“ um: Beim Blick auf die kaputte Rolltreppe nimmst Du wahr, wie erschöpft Du Dich fühlst. Das darfst Du zum Anlass nehmen, zu würdigen, wie viel Anstrengung Du in den heutigen Tag gesteckt hast. Unabhängig vom Ergebnis hast Du das Beste gegeben, das Dir heute unter diesen Umständen möglich war.
Wenn Du magst, kannst Du dem Treppensteigen noch etwas Positives abgewinnen. Oder es ist einfach etwas, das Du nicht ändern kannst. Du kannst Dir auch überlegen, wie Du Dir vor, während oder nach dem Treppenlaufen etwas Gutes tun kannst. Nachdem Du bereits bei Dir selbst „eingecheckt“ hast, weißt Du selbst am besten, was das sein könnte.
Wenn ich Dich zu einer Win-Win-Haltung ermutige, lade ich Dich als erstes ein, achtsam Deine Bedürfnisse wahrzunehmen. Vielleicht hast Du auch schon festgestellt, dass das eigentliche Anliegen sich oft von dem augenscheinlichen Auslöser unterscheidet. Wenn Du Dein echtes Anliegen kennst, kannst Du Dich auf andere Perspektiven im Außen einlassen und ihr Potential entdecken.
Was davon für Dich einen Gewinn darstellt und was Du daraus machst, bleibt Dir überlassen. Du bist nun sowohl in Deiner Selbstwirksamkeit als auch in der Selbstverantwortung. Und das ist ganz wichtig für Deine Win-Win-Haltung.
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